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MLOCK(2) Linux-Programmierhandbuch MLOCK(2)

BEZEICHNUNG

mlock, munlock, mlockall, munlockall - Speicher ver- und entriegeln

ÜBERSICHT

#include <sys/mman.h>
int mlock(const void *addr, size_t len); int munlock(const void *addr, size_t len);
int mlockall(int flags); int munlockall(void);

BESCHREIBUNG

mlock() bzw. mlockall() bzw. verriegeln den gesamten oder einen Teil des virtuellen Adressraums des aufrufenden Prozesses im RAM und verhindern, dass der Speicherinhalt in den Swap-Bereich ausgelagert wird. munlock() und munlockall () führen die umgekehrte Operation durch bzw. entriegeln den gesamten oder einen Teil des virtuellen Adressraums des aufrufenden Prozesses, sodass die Seiten im angegebenen virtuellen Adressbereich wieder ausgelagert werden können, wenn das von der Kernel-Speicherverwaltung verlangt wird. Ver- und Entriegelung des Speichers werden für ganze Speicherseiten durchgeführt.

mlock() und munlock()

mlock() verriegelt Seiten im Adressbereich, der bei addr beginnt und sich über len Byte erstreckt. Alle Seiten, die einen Teil des angegebenen Adressbereichs enthalten, verbleiben nach einem erfolgreichen Aufruf garantiert im RAM; die Seiten bleiben garantiert im RAM, bis sie wieder entriegelt werden.
munlock() entriegelt Seiten im Adressbereich, der mit addr beginnt und sich über len Byte erstreckt. Nach diesem Aufruf können alle Seiten, die einen Teil des angegebenen Speicherbereichs umfassen, erneut vom Kernel in externen Swap-Speicher ausgelagert werden.

mlockall() und munlockall()

mlockall() sperrt das Paging für alle Seiten, die in den Adressraum des aufrufenden Prozesses eingebunden sind. Dieses bezieht sich auf die Seiten von Code-, Daten- und Stacksegment genauso wie auf gemeinsame Bibliotheken, Kernel-Daten im Userspace, Shared Memory und auf den Speicher abgebildete Dateien. Es wird garantiert, dass alle eingebundenen Speicherseiten im RAM bleiben, wenn der Aufruf von mlockall() erfolgreich beendet wird. Es wird darüber hinaus garantiert, dass die Seiten solange im RAM bleiben, bis sie wieder entriegelt werden.
Das Argument flags wird mittels logischem ODER aus einer oder mehreren der folgenden Konstanten konstruiert:
MCL_CURRENT
sperrt alle Seiten, die momentan in den Adressraum des Prozesses eingeblendet sind.
MCL_FUTURE
sperrt alle Seiten, die in Zukunft in den Adressraum des Prozesses eingeblendet werden. Das könnten zum Beispiel neue Adress-Seiten sein, die bei einem sich vergrößernden Heap und Stack benötigt werden, Dateien, die in den Speicher eingeblendet werden, oder gemeinsam benutzte Speicherbereiche.
Falls MCL_FUTURE angegeben wurde, kann ein späterer Systemaufruf (z. B. mmap(2), sbrk(2), malloc (3)) fehlschlagen, wenn durch ihn die Zahl gesperrter Bytes das zulässige Maximum überschreiten würde (siehe unten). Unter den gleichen Voraussetzungen kann eine Vergrößerung des Stacks ebenfalls fehlschlagen: der Kernel wird den Stack-Ausbau verweigern und dem Prozess ein SIGSEGV-Signal schicken.
munlockall() entriegelt alle in den Addressraum des aufrufenden Prozesses eingeblendeten Seiten.

RÜCKGABEWERT

Bei Erfolg geben diese Systemaufrufe 0 zurück. Bei einem Fehler wird -1 zurückgegeben, errno entsprechend gesetzt und keine Änderungen an den Sperren im Adressraum des Prozesses durchgeführt.

FEHLER

ENOMEM
(Linux 2.6.9 und später) Der Aufrufende hatte eine weiche Ressourcenbegrenzung RLIMIT_MEMLOCK ungleich null, versuchte aber über diese Grenze hinaus Speicher zu verriegeln. Diese Grenze wird nicht erzwungen, wenn der Prozess privilegiert ist ( CAP_IPC_LOCK).
ENOMEM
(Linux 2.4 und früher) Der aufrufende Prozess versuchte mehr als die Hälfte des RAMs zu verriegeln.
EPERM
Der Aufrufende ist nicht privilegiert, benötigt aber zur Durchführung der angeforderten Operation Privilegien ( CAP_IPC_LOCK).
Für mlock() und munlock():
EAGAIN
Ein Teil des angegebenen Adressbereichs oder der gesamte Adressbereich konnten nicht verriegelt werden.
EINVAL
Das Ergebnis der Addition start+len war kleiner als start (z. B. kann die Addition einen Überlauf verursacht haben.)
EINVAL
(Nicht unter Linux) addr war kein Vielfaches der Seitengröße.
ENOMEM
Ein Teil des angegebenen Adressbereichs entspricht nicht Seiten, die in den Adressraum des Prozesses eingeblendet sind.
Für mlockall():
EINVAL
Es wurden unbekannte Flags angegeben.
Für munlockall():
EPERM
(Linux 2.6.8 und früher) Der Aufrufende war nicht privilegiert ( CAP_IPC_LOCK).

KONFORM ZU

POSIX.1-2001, SVr4.

VERFÜGBARKEIT

Auf POSIX-Systemen, auf denen mlock() und munlock() verfügbar sind, ist _POSIX_MEMLOCK_RANGE in <unistd.h> definiert und die Anzahl der Bytes pro Seite kann der Konstante PAGESIZE (wenn sie definiert ist) in <limits.h> entnommen werden oder durch einen Aufruf von sysconf(_SC_PAGESIZE) bestimmt werden.
Auf POSIX-Systemen, auf denen mlockall() und munlockall() verfügbar sind, ist _POSIX_MEMLOCK in <unistd.h> als ein Wert größer als 0 definiert. (Siehe auch sysconf(3).)

ANMERKUNGEN

Das Sperren von Speicher hat zwei Hauptanwendungen: Echtzeitalgorithmen und Hochsicherheits-Datenverarbeitung. Echtzeitanwendungen erfordern deterministisches Timing, und, wie auch Scheduling, ist Paging einer der Hauptgründe für unerwartete Verzögerungen in der Programmausführung. Echtzeitanwendungen werden außerdem für gewöhnlich mit sched_setscheduler(2) auf einen Echtzeit-Scheduler umschalten. Kryptographische Sicherheitssoftware stellt oft sicherheitskritische Bytes wie Passwörter oder geheime Schlüssel als Datenstrukturen dar. Durch Paging könnten diese geheimen Daten auf ein permanentes Swap-Speichermedium übertragen werden, von wo aus sie auch dann noch Dritten zugänglich sein können, lange nachdem das Programm die geheimen Daten aus dem RAM gelöscht und sich beendet hat. (Bedenken Sie bitte, dass der Suspend-Modus von Laptops und manchen Desktop-Rechnern, unabhängig von Speichersperren, eine Kopie des RAMs auf der Platte speichern wird.)
Echtzeitprozesse, die mittels mlockall() Verzögerungen durch Page Faults (Seitenfehler) vermeiden, sollten ausreichend gesperrte Stackseiten reservieren, bevor sie in die zeitkritische Phase treten, sodass durch einen Funktionsaufruf kein Fehler entstehen kann. Dies kann durch den Aufruf einer Funktion erreicht werden, die eine ausreichend große automatische Variable (ein Feld) erzeugt und in den Speicher schreibt, in dem die Variable liegt, um diese Stackseiten zu belegen. Auf diesem Wege werden genug Seiten für den Stack bereitgestellt und können im RAM verriegelt werden. Der Schreibvorgang stellt sicher, dass nicht einmal ein Schreib-Kopier-Seitenfehler in der kritischen Phase eintreten kann.
Speicherverriegelungen werden nicht an mittels fork(2) erzeugte Kindprozesse vererbt und durch einen Aufruf von execve(2) oder das Ende des Prozesses automatisch entfernt (entriegelt). Die Einstellung MCL_FUTURE in mlockall() wird nicht von einem Kindprozess ererbt, der mittels fork(2) erzeugt wurde und wird während eines execve(2) gelöscht.
Die Speicherverriegelung wird automatisch entfernt, wenn der Adressbereich mittels munmap(2) ausgeblendet wird.
Speichersperren werden nicht hochgezählt (»gestapelt«), das heißt, Seiten die mehrmals durch den Aufruf von mlockall() oder mlock() gesperrt wurden werden durch einen einzigen Aufruf von munlock() für den entsprechenden Bereich oder durch munlockall() sofort wieder freigegeben. Seiten, die an verschiedene Orte oder für verschiedene Prozesse eingeblendet wurden, bleiben solange im RAM verriegelt, wie sie mindestens an einem Ort oder durch einen Prozess benötigt werden.

Linux-Anmerkungen

Unter Linux runden mlock() und munlock() addr automatisch zur nächsten Seitengrenze ab. Da aber POSIX.1-2001 Implementierungen gestattet, welche die Ausrichtung von addr an Seitengrenzen fordern, sollten portable Anwendungen die Ausrichtung sicherstellen.
Das Feld VmLck der Linux-spezifischen Datei /proc/PID/status gibt an, wie viele Kilobytes Speicher der Prozess mit der ID PID mittels mlock(), mlockall() und mmap(2) mit dem Flag MAP_LOCKED verriegelt hat.

Grenzen und Zugriffsrechte

Bis einschließlich Linux 2.6.8 muss ein Prozess privilegiert sein ( CAP_IPC_LOCK), um Speicher zu verriegeln. Die weiche Systembegrenzung RLIMIT_MEMLOCK bestimmt einen Speicher-Schwellwert, den der Prozess verriegeln darf.
Seit Linux 2.6.9 kann ein privilegierter Prozess unbegrenzt Speicher verriegeln. Die weiche Systembegrenzung RLIMIT_MEMLOCK legt stattdessen fest, wieviel Speicher ein nicht privilegierter Prozess verriegeln darf.

FEHLER

In den Linux-Kerneln 2.4.x bis einschließlich 2.4.17 bewirkte ein Fehler, dass das Flag MCL_FUTURE von mlockall() über einen Aufruf von fork(2) vererbt wurde. Dies wurde in Kernel 2.4.18 behoben.
Seit Kernel 2.6.9 werden, falls ein privilegierter Prozess mlockall(MCL_FUTURE) aufruft und anschließend Privilegien aufgibt (die Capability CAP_IPC_LOCK verliert, weil er beispielsweise seine effektive UID auf einen von null verschiedenen Wert setzt), nachfolgende Speicherzuordnungen (z.B. mmap(2), brk(2)) fehlschlagen, wenn die Ressourcengrenze RLIMIT_MEMLOCK berührt wird.

SIEHE AUCH

mmap(2), setrlimit(2), shmctl(2), sysconf(3), proc(5), capabilities(7)

KOLOPHON

Diese Seite ist Teil der Veröffentlichung 3.74 des Projekts Linux- man-pages. Eine Beschreibung des Projekts, Informationen, wie Fehler gemeldet werden können sowie die aktuelle Version dieser Seite finden sich unter http://www.kernel.org/doc/man-pages/.

ÜBERSETZUNG

Die deutsche Übersetzung dieser Handbuchseite wurde von Michaela Hohenner <mhohenne@techfak.uni-bielefeld.de>, Hanno Wagner <wagner@bidnix.bid.fh-hannover.de>, Martin Schulze <joey@infodrom.org>, Martin Eberhard Schauer <Martin.E.Schauer@gmx.de> und Mario Blättermann <mario.blaettermann@gmail.com> erstellt.
Diese Übersetzung ist Freie Dokumentation; lesen Sie die GNU General Public License Version 3 oder neuer bezüglich der Copyright-Bedingungen. Es wird KEINE HAFTUNG übernommen.
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14. April 2014 Linux